Das Geheimnis ihrer schnellen Verbreitung und wie eine Jugend-Initiative in Bad Saulgau sich dabei besonders clever anstellte
Als die Gemeinden in den 90er Jahren erkannten, welchen Nutzen Skateparks brachten, schossen sie wie Pilze aus dem Boden, jedes Dorf hatte einen. Wer jungen Menschen ein Spielfeld für ihre Leidenschaft bot, erntete Anerkennung für deren Förderung und löste gleichzeitig Probleme an anderen Stellen, wo sich die Interessen von Skatern und Passanten zum Beispiel überschnitten. Die Anzahl der Skater blieb jedoch meist überschaulich, weil es sich um einen mühsam zu erlernenden Sport mit wenig Potenzial auf Massentauglichkeit handelte. Viele Anlagen sind mittlerweile quasi tot.
Dieses Schicksal gilt bei Pumptracks als äußerst unwahrscheinlich, denn der Kreis der potenziellen Nutzer und Nutzerinnen ist ungleich größer: Biker in allen Altersklassen werden angesprochen und die initiale Hürde liegt ausgesprochen niedrig. Spezielle Fahrräder sind nicht zwingend notwendig, alles geht: BMX, Dirtbike, Mountainbike, selbst Scooter und Laufräder sind teilweise geeignet.
Doch was sind Pumptracks eigentlich? Mancher Amtsleiter musste sich diese Frage schon beantworten lassen: Ein Pumptrack ist ein befestigter Rundkurs mit Wellen und Steilwandkurven, den man ohne Pedalieren, alleine durch Gewichtsverlagerung (Pumpen) befahren kann. Zahlreiche Varianten aus unterschiedlichen Materialien und mit kleinen Sprüngen steigern die Vielfalt und bieten für jedes Fahrkönnen die optimale Herausforderung. Schon mit wenig Platzbedarf lässt sich eine attraktive Anlage realisieren, mit der Größe wachsen die Gestaltungsmöglichkeiten. Und manch illegal gebauter Trail im Wald verliert zur Freude des Försters seine Attraktivität durch die Konkurrenz eines neuen Pumptracks in der Gemeinde.
Ein Pumptrack ist ein befestigter Rundkurs mit Wellen und Steilwandkurven, den man ohne Pedalieren, alleine durch Gewichtsverlagerung (Pumpen) befahren kann
Leider kommt die Initiative für neue Anlagen mittlerweile selten aus den Rathäusern, trotz vergleichsweise geringer Investitionskosten für einen Pumptrack. Jugendgremien und Vereine spielen oft die entscheidende Rolle: Der übliche Weg führt dann zunächst über die Beantragung von Fördergeldern, mit langen Wartezeiten und ungewissem Erfolg.
Dass es auch anders geht und sich so ein Projekt sogar in Rekordzeit realisieren lässt, hat eine Jugend-Initiative aus Bad Saulgau mit der Unterstützung von engagierten Eltern 2021 eindrucksvoll bewiesen:
Fünf Kinder im Alter zwischen 12 und 14 Jahren machten sich aus eigenen Stücken auf die Suche nach einem geeigneten Ort für einen Pumptrack, und wurden fündig: Sie entdeckten ein ungenutztes und verwildertes Gelände auf dem örtlichen Bauhof, das alle Anforderungen zu erfüllen schien. Mit Unterstützung der Eltern gingen sie auf die Bürgermeisterin und den Stadtbaumeister zu, deren anfänglicher Widerstand schnell gebrochen war angesichts des vorgebrachten Enthusiasmus.
Nun galt es noch die Frage der Finanzierung zu klären. Anstatt auf Fördergelder zu hoffen, setzte das Organisationsteam der Eltern auf eine private Finanzierung durch Spenden und Sponsoren. Um das Ziel von 25.000 Euro zu erreichen gab es Zeitungsartikel und es wurden Flyer gedruckt, welche die Kinder verteilten. Innerhalb von wenigen Wochen gelang es eine Spendensumme von fast 40.000 Euro einzusammeln, ein Riesenerfolg!
Nachdem rund 40 freiwillige Helfer das Gelände freigeschnitten hatten wurde Holger Blum als kompetenter Streckenbauer mit der Konzeption und dem Bau des Mini-Bikeparks beauftragt. Als ehemaliger deutscher Downhill-Meister und Betreiber des Bikepark Albstadt bringt er neben viel Erfahrung im Streckenbau auch gleich seinen eigenen Bagger mit. Rund zwei Monate Bauzeit reichten ihm aus, um das verwilderte Gelände in einen sportlichen Freizeittreffpunkt der Extraklasse zu verwandeln. Zusätzlich zum Pumptrack wurden noch Dirtpark-Elemente mit Holzrampen und Sprüngen realisiert, welche die Vielfältigkeit der Anlage steigern und für jeden Geschmack die richtige Herausforderung bereithalten. Der vier Meter hohe Starthügel unterstützt den Anlauf, so dass die Biker die perfekte Geschwindigkeit für die ersten Wellen mit auf den Weg bekommen.
Danke für eure großartige Initiative: Johanna, Lius, Magnus, Emil und Matteo!
Ende Oktober fand die feierliche Eröffnung der Anlage statt und die ungeduldigen Kids konnten endlich auf Strecke gehen. Zwei Teamfahrer des Bikepark Albstadt demonstrierten eindrucksvoll, was hier alles möglich ist, wenn man ein wenig Erfahrung gesammelt hat. Es wurde gefahren mit allen erdenklichen Rädern, in allen Altersklassen, über alle Hügel, bis in die Dunkelheit hinein. Jedem Anwesenden dürfte klar geworden sein, welche Bedeutung und Zukunft dieses mit viel privatem Engagement in Rekordzeit realisierte Projekt für Bad Saulgau hat.